Seit zwei Jahren leben sie gemeinsam auf einer Alm am Ende des Lazinser Tals: Elisabeth Heel und Michl Raich mit ihren Kindern. Vier Mädchen sind es, die neunjährige Lara, die sechsjährige Heidi, Vreni mit zweieinhalb und Sindy als Kleinste, die zwischen Melkkühen und Ziegen, Spielen und Schulaufgaben aufwachsen.
Wie ist der Alltag auf der Lazinser Alm? Im Sommer, wenn täglich Wanderinnen und Wanderer auf der Route des Meraner Höhenwegs aus dem Pfossental hier vorbeikommen? Und vor allem im Winter, wenn im Lazinser Tal oft Lawinengefahr herrscht und die Familie von der Außenwelt abgeschnitten ist?
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Auf der Lazinser Alm beginnt Elisabeths Tag morgens um 5 Uhr 30. Wenn viele sich noch einmal umdrehen, bereitet sie das Frühstück vor und geht in den Stall, wo die Melkkühe schon warten. Sie melkt und füttert die fünf Kühe der Alm. In diesem Sommer kümmert sie sich auch um ein spätgeborenes Kälbchen, das ihr ein Bauer brachte.
Nachdem sie die erste Milch zentrifugiert und abgekocht hat, stellt sie damit die traditionelle Sauerrahmbutter her. Der besondere säuerliche Geschmack entsteht, weil bereits dem Rahm die Milchsäurebakterien zugesetzt werden. Elisabeth erklärt:
Früher ließ man den Rahm der Milch einfach stehen, heute kommt er aus Hygienegründen in den Kühlschrank.
Sobald die neue Milchkammer mit Käserei im nächsten Jahr fertig gebaut ist, kann die Butter auch an Gäste verkauft werden. Während sie das schwere Melkgeschirr für das abendliche Melken putzt, erzählt Elisabeth von ihren großen Plänen.
Dann können wir endlich Quark und Frischkäse, Camembert und den typischen Graukäse machen!
Nach der frühmorgendlichen Arbeit im Stall und der Milchkammer geht es weiter in der Hütte, spätestens mittags kommen die Gäste.
Ohne die Unterstützung meiner Familie und der Schwiegereltern und einer Betreuung für die Kinder wäre es nicht möglich, Familie, Tiere und Gäste so zu versorgen, dass es allen gut damit geht.
Auch die Schwiegereltern führten immer Almen, deshalb funktioniert der Alltag so eingespielt.
Jeder Gast ist ein Geschenk
Knödeltris, Marendeplatte und verschiedenste Sorten selbstgemachter Kuchen geben den Gästen die nötigen Kalorien fürs Weiterwandern. Während Elisabeth und ihre Mitarbeiterinnen sich um deren leibliches Wohl kümmern, sonnen sich die ersten Besucher auf der großen blumengeschmückten Terrasse.
Ihren 40jährigen Partner Michl sieht Elisabeth im Sommer nicht oft. Er zieht mit zwei Hirten auf die Andelsböden und bleibt dort bis zum Herbst. Dieses Almgelände liegt unter den Wänden der Hohen Weiße und des Lodners im Naturpark Texelgruppe. 300 Kühe, darunter 70 Kälber, suchen auf der Hochalm nach den besten Pseirer Kräutern.
Jeden Vormittag kommt einer der Hirten die 500 Höhenmeter hinab zur Lazinser Alm, um das Mittagessen für alle zu holen. Per Funk können sich die Hirten im Notfall mit der Alm verständigen. Heute Nacht ist Gewitter angesagt.
Da sind die Kühe unruhig und die Hirten müssen ihnen folgen, wenn sie zu rennen beginnen.
Michl steckt das Almleben in den Genen. Seit er ein Jahr alt war, lebte er mit seiner Familie auf Almen. Auch Elisabeth war seit ihrer Jugend auf verschiedenen tätig, erst im Zillertal in Österreich, dann auf St. Anna Pfistrad, der Falser Alm und seit mehreren Jahren in Lazins.
Schon Elisabeths Oma führte eine Alm.
Und sie machte noch alle anfallenden Arbeiten mit der Hand! Was für ein anstrengendes Leben.
Gemeinsam auf einer Alm zu leben, das ist unser großer Traum.
Seit die neue Almhütte steht, dürfen Michi und Elisabeth ganzjährig mit ihren Kindern dort leben. Im November 2019 zogen sie ein.
Die beiden so genannten Gerichtsalmen Lazinser Alm und Timmelsalm sind Gemeinschaftseigentum aller Passeirer. Daher dürfen alle Einwohner des Tals ihre Tiere dort traditionell weiden lassen.
Auf der Lazinser Alm und den zugehörigen Flächen sind dies vor allem Kühe, Galtvieh und Kälber. Auch um 300 Schafe kümmert sich die Sennerfamilie.
Sally heißt die Lieblingskuh, die ohne Eile ihr Heu kaut. „Wir melken sie nun schon den achten Sommer“. Elisabeth streichelt die Kuh.
Michi und ich, wir lieben die Tiere sehr. Wir freuen uns in jedem Frühjahr, wenn das Galtvieh kommt.
Zur Alm gehören zwei Esel – und natürlich Ziegen.
Elisabeths Augen leuchten, wenn sie von ihrer Passion spricht: der Passeirer Gebirgsziege. Das Besondere an dieser Rasse?
Sie haben verschiedene Farben, schöne Hörner und schöne Füße.
Und natürlich der Charakter. Wahrscheinlich sind sie genauso freiheitsliebend wie die Passeirer selbst, in deren Tal der Tiroler Freiheitskämpfer Andreas Hofer geboren wurde.
Im Sommer streifen 35 eigene Ziegen mit ihren rund 30 Jungtieren über die Grasflächen der Lazinser Alm und durch die umgebenden Berge.
Ohne Verbandswesen geht es auch bei den Ziegen nicht. Michl und Elisabeth engagieren sich im Zuchtziegenverein, alle fünf Jahre findet die regionale Ziegenausstellung statt.
Dann besucht eine Kommission alle Ziegenherden im Passeiertal und beurteilt die Tiere nach strengen Kriterien.
Nur die schönsten Ziegen dürfen zur Ausstellung nach St. Martin reisen, um das Rassebild zu repräsentieren und vielleicht einen Ehrenpreis mit zurück in die Berge zu bringen.
Sogar bei der großen Landesausstellung in Vöran, die 2019 erstmals organisiert wurde, nahmen Ziegen von der Lazinser Alm teil.
Ab und zu bietet die Alm auch Ziegenbraten an, den immer mehr Gäste und Einheimische zu schätzen wissen. „Da weiß man genau, was die Ziege gefressen hat,“ erklärt Elisabeth.
Sie fressen nur die besten Kräuter von der Alm.
Sobald es in der Höhe anfängt zu schneien, kehren die Ziegen zur Alm zurück. Liegt auch unten durchgängig Schnee, kommen die Tiere in den Laufstall.
„Im Winter müssen wir die Stalltür freischaufeln, soviel Schnee fällt hier über Nacht“. Sie denkt an den unaufhörlichen Schneefall im Dezember 2020.
Wir konnten fünf Tage lang nicht weiter sehen als bis zum Stall. Wenn ich hingegangen bin, um die Tiere zu versorgen, habe ich alle Kinder mitgenommen.
Überhaupt die Familie. „Wenn man zusammenhält, schafft man am meisten,“ ist Elisabeth überzeugt. Im Herbst muss man genügend Vorräte anlegen und bei schwierigen Wetterverhältnissen im Winter bleiben alle gemeinsam in der Hütte.
Das Gebiet, auf dem die Hütte und der Stall stehen, ist nicht lawinengefährdet. Nur der Weg kann kritisch sein.
Ist das Wetter beständig, können die Kinder mit dem Schneemobil zur Schule nach Pfelders gebracht und die Einkäufe erledigt werden.
Die glücklichsten Momente im Almleben finden sich in der Natur.
Wenn im Frühjahr das erste Gras kommt und im Winter der erste Schnee. Dann beobachten wir das Wild, die Steinböcke und Gämsen kommen weit hinunter ins Tal.
In schwierigen Momenten vertraut Elisabeth in ihrem Glauben. „Der Herrgott hilft mir“, davon ist sie überzeugt.
Das Wichtigste ist, mit dem zufrieden zu sein, was man hat.
Auf der Alm ist man immer unter Menschen. Wenn Elisabeth ein wenig Ruhe möchte, zieht es sie hinaus. Nur weit genug weg, die Hütte einmal nicht zu sehen.
Hier in der wilden Natur reichen ein paar Atemzüge, um Kraft zu tanken. Welche Wünsche sie als Almbäuerin hat, mit Arbeit rund um die Uhr?
Einmal im Sommer Michl auf den Andelsböden zu überraschen! Vielleicht klappt es in diesem Jahr.
Redaktion & Gestaltung: Simone Peist | Fotos: Hubert Gögele
Anreise: Sie erreichen die Lazinser Alm (1.860 m) von Pfelders im hinteren Passeiertal nach einem etwa 1-stündigen Spaziergang. Der Meraner Höhenweg führt vom Pfossental über das Eisjöchl und die Stettiner Hütte (im Bau) direkt an der Alm vorbei.
Im Winter ist die Alm, wenn keine Lawinengefahr herrscht, über einen Winterwanderweg und eine Langlaufloipe zu erreichen.
Öffnungszeiten für Tagesgäste: ganzjährig geöffnet, kein Ruhetag
Kontakt: Elisabeth Heel, Tel. (+39) 0473 646800, elisabeth.heel20@gmail.com